Deutschland im Rückwärtsgang

Warum der Verbrenner verklärt wird und die Zukunft im Keller steht

Deutschland sitzt im Auto. Mit feuchten Augen. Der Blick geht nach hinten. Nicht in den Rückspiegel, sondern direkt ins Gestern. Dort schnurrt der Verbrenner, dort riecht es nach Diesel und Wohlstand. Und dort möchtest du bitte bleiben. Für immer.

Das Elektroauto ist böse. Zu neu. Zu leise. Zu wenig Gefühl. Deutsche wollen kein BEV, weil sie im Gestern kleben. Wie ein Kaugummi unter dem Schuh der Geschichte. Alles was sich ändert, macht Angst. Also lieber stehen bleiben. Oder besser zurückgehen.

Strom ja bitte, aber nur der falsche

Das Absurde daran. Strom brauchen wir trotzdem. Viel Strom. Aber bitte nicht von Windrädern. Die sind laut, hässlich und machen angeblich krank. Solar ist auch schlecht. Blendung. Platzverbrauch. Zu modern.

Stattdessen wird Atomstrom gefordert. Teuer. Gefährlich. Endlager irgendwo, aber bitte nicht hier. Oder da. Oder überhaupt. Hauptsache es klingt nach früher. Nach Technik aus einer Zeit, in die Männer noch Hüte trugen und Probleme einfach verdrängt wurden.

Man hat Angst vor Wind, aber keine Angst vor strahlendem Müll für tausende Jahre. Das musst du erstmal schaffen.

Fortschritt bitte nur rückwärts

Stell dir vor, wir würden das überall so machen. Nicht nur beim Auto.

  • Wir fordern das Faxgerät zurück. Endlich wieder piepsen und warten.
  • Die Diskette. 1,44 MB pure Freiheit.
  • Der Kassettenrekorder. Bandsalat als Feature.
  • Der Pager. Kommunikation mit Spannung.
  • Der VHS Videorekorder. Bitte zurückspulen.
  • Die Schreibmaschine. Tippfehler bleiben für immer.
  • Röhrenmonitor am PC. Platzverbrauch als Statussymbol.
  • Modem mit Einwahl Ton. Musik der Neunziger.
  • Overheadprojektor. Folien mit Edding. Bildung zum Anfassen.

Alles bewährt. Alles alt. Alles sicher. Weil du es kennst.

Wohlstandsverwahrlosung auf vier Rädern

Das Auto ist hier kein Verkehrsmittel. Es ist Identität. Religion. Trotzreaktion. Man fährt Verbrenner, weil man es kann. Nicht weil es sinnvoll ist. Sondern weil Veränderung als Angriff gesehen wird.

Man klammert sich an Technik, die den Planeten aufheizt, und nennt es Freiheit. Während man jede neue Lösung zerredet, blockiert und verspottet.

Das ist keine Technikdebatte mehr. Das ist Nostalgie mit Motorschaden.

Ein kleiner Blick nach vorn

Vielleicht ist es Zeit, nicht alles Neue reflexartig abzulehnen. Vielleicht ist leiser Fortschritt kein Feind. Vielleicht muss nicht alles nach gestern riechen, um gut zu sein.

Oder wir holen wirklich alles zurück. Fax, VHS und Verbrenner. Dann passt es wenigstens zusammen.

Fediverse reactions

Kommentare

3 Antworten zu „Deutschland im Rückwärtsgang“

  1. @holger@polente.de

    Meine Erfahrungen ist, Verharrung kann man Systembedingt sehr einfach organisieren und mit ein bisschen Wut auf Randgruppen gewürzt, bekommt man damit nach wie vor Mehrheiten in dieser Gesellschaft.

    Progressiv sein dagegen ist komplex!

    Oft haben progressive Gruppierungen die fast die gleichen Ziele, zerstreiten sich dann aber über die Wege dort hin.

    Deshalb kann ich jedem nur empfehlen, geht mal in so eine Partei und macht die Erfahrung selbst.

    1. Das stimmt leider. Hier bleibe ich aber gerne beim Abstrafen des Rückwärts Gewandten :-)

  2. Ich frage mich, warum wir jemals von der Dampflokomotive gelassen haben.

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